Sonja Wallner

Beratung - Coaching - Training


der "merk-würdige" Blog

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2024-10-26

Narzissmus im Alltag: Zwischen Selbstbewusstsein und Fehldiagnose

Narzist.pngDC0BEF00-5711-47B8-B123-C40E156A3A5D.pngIn den letzten Jahren beobachten wir, dass der Begriff “Narzissmus” immer häufiger verwendet wird, oft auch in Kontexten, die wenig mit der tatsächlichen Bedeutung des Krankheitsbildes zu tun haben. Es scheint fast “modern” geworden zu sein, Menschen, die uns unangenehm auffallen oder in unser eigenes Bild nicht passen, als “Narzisst*innen” zu bezeichnen. Diese Entwicklung hat Folgen – sowohl für das gesellschaftliche Verständnis psychischer Störungen als auch für die betroffenen Personen.

1. Die inflationäre Nutzung des Begriffs “Narzissmus”

Warum ist der Begriff so populär geworden? Wahrscheinlich, weil Narzissmus etwas Faszinierendes und zugleich Bedrohliches hat. Er wird häufig mit Egoismus, Selbstverliebtheit und einem Mangel an Empathie gleichgesetzt, was eine gewisse “Bedrohung” für die Gemeinschaft suggeriert. Auch soziale Medien spielen eine Rolle. Die Bildwelten auf Instagram, TikTok und Co. sind geprägt von Selbstinszenierung, oft mit einem Fokus auf Perfektion und Erfolg – Züge, die oberflächlich betrachtet mit Narzissmus assoziiert werden könnten. Schnell wird daraus der Trugschluss, dass jede Form der Selbstdarstellung oder Selbstliebe zwangsläufig “narzisstisch” sei.

2. Das Krankheitsbild des Narzissmus: Mehr als nur Selbstverliebtheit

Klinischer Narzissmus ist jedoch ein weitaus komplexeres und seltenes Störungsbild. Die “Narzisstische Persönlichkeitsstörung” (NPS) ist eine psychische Erkrankung, die durch ein tief verwurzeltes, pathologisches Bedürfnis nach Bewunderung, einen Mangel an echter Empathie und ein fragiles Selbstwertgefühl geprägt ist. Menschen mit NPS zeigen oft extreme Verhaltensweisen, um ihren Selbstwert zu stabilisieren, sei es durch Überheblichkeit, Manipulation oder auch durch Wutanfälle bei vermeintlichen Kränkungen.

3. Das gesellschaftliche Problem der “Laien-Diagnostik”

Indem der Begriff “Narzissmus” inflationär genutzt wird, neigen wir dazu, Menschen schnell in eine Schublade zu stecken und ihnen eine klinische Störung zu unterstellen, die meist gar nicht vorliegt. Dies birgt die Gefahr von Missverständnissen und Stigmatisierung. Ein Kollege, der sich selbstbewusst präsentiert, oder eine Person, die kritisches Feedback gibt, sind nicht automatisch narzisstisch. Tatsächlich wird durch solche Schnellurteile die Empathie für das eigentliche Krankheitsbild verschleiert und das Verständnis für die Tiefe einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung eingeschränkt.

4. Was der Trend über uns aussagt

Die schnelle Narzissmus-Diagnose bei anderen kann auch eine Abwehrhaltung darstellen. Oft ist es leichter, das Verhalten anderer zu pathologisieren, als sich mit dem eigenen Selbstbild auseinanderzusetzen. Psychologisch gesehen spiegeln uns Narzissten Anteile unserer eigenen Persönlichkeit, die wir vielleicht ablehnen oder verdrängen. Der Trend, andere als Narzissten zu bezeichnen, könnte somit auch als Projektionsmechanismus verstanden werden: Indem wir “den Narzissmus” außen verorten, müssen wir ihn nicht bei uns selbst reflektieren.

Ein gesunder Umgang mit dem Begriff Narzissmus

Statt uns vorschnell auf den Begriff “Narzissmus” zu stützen, wäre ein differenzierter Blick wichtig. Nicht jede selbstbewusste oder egozentrische Person leidet unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Ein gesundes Maß an Selbstliebe ist, im Gegenteil, notwendig für unser Wohlbefinden. Wenn wir das Störungsbild Narzissmus ernster nehmen, fällt es uns vielleicht leichter, authentische von pathologischen Verhaltensweisen zu unterscheiden – und die Diagnostik Menschen zu überlassen, die dafür ausgebildet sind.

Admin - 07:42:26 @ "merk-würdig" | Kommentar hinzufügen

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